Hier soll es jetzt nicht wie der ein- oder andere bei dem Titel vielleicht denken mag, um Reisefotografie gehen. Ich hatte gestern erstmals die Möglichkeit ein neues Objektiv zu testen: das Sony SEL FE200-600mm G. In der Wildtierfotografie kann und sollte man nicht zu nah an die Tiere rankommen, da hilft es, wenn man ein Objektiv mit viel Brennweite verwendet. Ich hatte jüngst versucht, mein altes Sigma-Teleobjektiv für Canon auf der Sony zu adaptieren, allerdings kamen dabei Blendenwerte heraus, die es an der Sony für mich uninteressant machten - der Hintergrund war viel zu unruhig und die Bilder so für mich nicht schön. An den Sony-Kameras habe ich bisher das 100-400 GM genutzt und bin dann dank Telekonverter und mit einer Kamera mit Crop-Faktor (alpha6xxx-Serie) auf eine maximale Brennweite von 560mm gekommen. Das ist schon sehr gut, aber auch hier bezahlt man die lange Brennweite mit unruhigeren Hintergründen und höheren Isozahlen - die Bilder haben ein höheres Bildrauschen. Deshalb greifen Wildtierfotografen oft zu lichtstarken Brennweiten. Für Sony E-Mount gab es hier lange Zeit kein Objektiv im Angebot. Inzwischen gibt es eine lichtstarke Festbrennweite mit 600mm, die liegt aber in der Preisklasse eines Kleinwagens, insofern ist sie für den normalen Hobby-Fotografen keine wirkliche Option. Das oben genannte, ist nicht ganz so lichtstark, dafür aber deutlich günstiger, insofern war ich gespannt wie es sich im Vergleich zu meinen bisherigen Möglichkeiten schlägt.
Auf die Technik will ich gar nicht gross eingehen, dass kann man in anderen Blogs, Testberichten nachlesen und mich voll auf meinen Eindruck als privater Endwender konzentrieren.
Haptik: der Objektiv ist erstmal ein Brummer - mit über 2 kg hat man hier deutlich mehr zu tragen als mit dem 100-400mm (knapp 1,4 kg). Natürlich ist es auch deutlich länger als sein kleiner Bruder, allerdings verfügt es über einen internen Zoom-Mechanismus, d.h. es wird beim Zommen nicht noch länger wie das kleinere Objektiv oder bspw. auch das Sigma. Für mich lässt sich so deutlich besser freihand fotografieren, das war mit dem Sigma kaum mehr möglich. Die Bilder unten habe ich alle ohne Stativ gemacht - beim Sigma hätte ich ohne Stativ vermutlich nach kurzer Zeit schlapp gemacht. Trotzdem: wer so ein Objektiv dabei hat, sollte sich gut überlegen wie er diesen Trümmer transportiert. Übrigens kleine Randbemerkung: das 600mm-Profiobjektiv wiegt über 3 kg - weiter Pluspunkt für das günstige Zoom!
Bildqualität: natürlich konnte ich gestern bei dem Spaziergang noch nicht alles austesten, aber von den gemachten Bildern bin ich sehr angetan. Wie man sehen kann, sind alle Tiere trotz der Entfernung knackscharf. Der Autofokus lief immer sehr leise, schnell und präzise. Die Bilder wurden nur wenig nachbearbeitet, die Farben aus der Kamera sind durch die Bank weitgehend natürlich, deshalb muss man da nicht mehr viel machen. Die Hintergründe verschwimmen in einem weichen, schönen Bokeh. Genau das, was ich bei meinen bisherigen Optionen etwas vermisst hatte.
Fazit: natürlich ist das Objektiv ein gewisser Kompromiss. In den meisten Fällen wird man als Wildtierfotograf mit der längsten Brennweite arbeiten, deshalb bedarf es nicht unbedingt eines Zoom. Dafür wäre eine hohe Lichtstärke für die frühen Morgen- und die späten Abendstunden ganz hilfreich. Das gibt es aber für normale Anwender mit diesem System derzeit zu keinem akzeptablen Preis - vielleicht legen Sigma oder noch eher Tamron in absehbarer Zeit hier ja nach. Aus meiner Sicht ist das 200-600mm-Objektiv also derzeit konkurrenzlos. Das was es macht, macht es aber hervorragend. Die Bilder erscheinen mir harmonischer als die des vergleichbaren Sigma, in der Haptik topt es das sogar. Ich bin mal gespannt wie es sich mit einem Telekonverter oder an der kleinen 6xxx-Sony schlägt, wenn man dann noch mehr Brennweite hat. Nach den ersten Eindrücken hier, habe ich aber kaum Zweifel, dass es auch da ähnlich souverän agiert.